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Von der Turmhügelburg zur Vierflügelanlage

Der Ursprung der späteren Wasserburg Haus Herbede dürfte, wie in der Frühzeit des Burgenbaus üblich, eine mittelalterliche, befestigte Turmhügelburg, auch Motte genannt, gewesen sein. Hier stand auf einem aufgeworfenen Hügel ein Turm, der ausgehobene Ringgraben wurde zur wassergefüllten Gräfte.

Bei der vermutlich im 12. Jahrhundert errichteten Motte handelte es sich wahrscheinlich um ein Holz- bzw. Fachwerkhaus. Im 13./14. Jahrhundert wurde das hölzerne Gebäude durch ein Giebelhaus aus Ruhrsandstein mit längsrechteckigen Grundriss ersetzt.

Im 16. Jahrhundert entstand, östlich an das Giebelhaus angelehnt, ein rechteckiges, zunächst dreigeschossiges Zweiraum-Turmhaus. Im Fußboden des Westraumes dieses Turmhauses sind im Erdgeschoss neben einer Wasserleitung aus Blei Bauspuren entdeckt worden, die auf eine schmiede-handwerkliche Nutzung des Raumes schließen lassen. Im ersten Stockwerk befinden sich an zwei Wänden Reste von Rundbögen, die ein ehemaliges Gewölbe (Kapelle?) vermuten lassen.

Noch im 16. Jahrhundert ist das Turmhaus nach Norden hin erweitert worden. Zu diesem Anbau gehören heute vermauerte Fensterfassungen aus Sandstein zum Innenhof hin, die Reste einer vorgelagerten Treppe und ein von zwei Halbsäulen flankierter oberer Durchgang, der heute auf halber Höhe in der westlichen Innenwand der ehemaligen Küche zu sehen ist. In dieser Zeit war den beiden beschriebenen Gebäudeteilen eine rechteckige Vorburg nach Norden hin vorgelagert, die mit einer steinernen Ringmauer umgeben war. Diese Gesamtanlage umschloss eine mit Wasser gefüllte Gräfte.

Entwicklung der Bauphasen des Hauses HerbedeUm weiteren Wohnraum zu schaffen, ist um 1540 unter Ausnutzung der Ringmauer parallel zu dem vorhandenen Gebäudekomplex ein Renaissancehaus mit Schaugiebeln nach Westen und Osten hin errichtet worden. In den Kellerräumen dieses Gebäudeteils sind noch heute die Schießscharten der ehemaligen Ringmauer zu finden. Der Keller besaß zunächst eine flache Holzbalkendecke, wovon Konsolsteine zeugen. Der darüber liegende Rittersaal mit seiner Holzbalkendecke, davon ein mächtiger Balken mit Resten von rot-blauer Malerei aus der Erbauungszeit, ist der repräsentativste Raum der Gesamtanlage. Einige Konsolsteine der Deckenbalken und eine Wandnische zeigen Reste einer Malerei mit pflanzlichen Motiven. An den beiden Stirnseiten des Rittersaales gab es zwei Kamine. Ein erhalten gebliebener Sturz, mit größter Wahrscheinlichkeit von einem dieser Kamine, trägt die Inschrift: GODT KEHR VND WENDE ALLE MIN SACKE THO EINM GVD ENDE“.

Vor dem westlichen Kamin des Rittersaales befindet sich im Fußboden ein in dieser Größe recht selten zu findendes, so genanntes Spicksteinmosaik. In zwölf gleich großen Feldern ist aus Ruhrkieseln ein geometrisches Muster eingelegt worden. Die dendrochronologische Untersuchung von Balken im mittleren Dachstuhlbereich zur Altersbestimmung des Gebäudes ergab den Zeitraum um 1540.

Die Außenfassade des Renaissancegebäudes schmückt an der Längsseite nach Norden hin ein befensterter, mit 1566 datierter Erker, der von vier kräftigen, geschwungenen Kragsteinen getragen wird.

Die westliche Schauseite ziert ein nachträglich eingebauter kleinerer Erker mit der Datierung „A° D (?) 636“ (Anno Domini 1636). Auf der seitlichen Brüstung sind schwach die Wappen der Familien von Elverfeldt und von Nesselrode gen. Hugenpoet zu Hugenpoet erkennbar. Im Innenhof schloss sich im Westen an dieses Haus ein Treppenturm an, dessen Untergeschoss noch bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts erhalten war. Überall im Haus sind alte Putzreste, zum Teil mit Malereien, gefunden worden. An den Außenfassaden sind Überbleibsel entdeckt worden, die darauf schließen lassen, dass die gesamte Anlage, wie bei Bruchsteingebäuden dieser Zeit in Westfalen üblich, verputzt war.

Der südliche Gebäudetrakt und der nördliche Renaissanceflügel sind bis 1563 durch einen östlichen Trakt ebenfalls unter Einbeziehung der ehemaligen Ringmauer verbunden worden. Über einer Rundbogentür sind neben der Jahreszahl 1563 die Wappen von Elverfeldt und Schenking von Bevern angebracht. Dieser östliche Gebäudeteil, in dem eine geräumige Küche untergebracht war, ist wie der Renaissancebau unterkellert, zunächst wohl ebenfalls mit einer flachen Balkendecke. Doch beide Kellerbereiche sind noch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, offensichtlich um die Standfestigkeit dieser Gebäudeteile zu erhöhen, mit einem bemerkenswerten Kreuzgewölbe ausgestattet worden. Die Gestaltung des Kreuz-gewölbes ist eine für diese Zeit in Westfalen eher seltene Lösung.

Über eine sehr schmale Wendeltreppe, die zwischen den Wänden der Gebäudeteile von 1540 und 1563 eingezogen worden ist, führt der Weg von der ehemaligen Küche, dem heutigen Kaminraum, in den Keller. Der Küchenraum, der ursprünglich aus zwei voneinander getrennten Teilen bestand und später zu einer größeren Küche umgestaltet worden ist, erfüllte zeitgemäß nicht nur die Funktion einer Küche, sondern hier lebte man auch. Er war, wie ein Foto aus dem Jahre 1908 beweist, mit einem großen Kamin mit einem mächtigen Rauchfang ausgestattet, auf dem die Jahreszahl 1568 gestanden haben soll.

Wie sehr sich gerade in diesem Teil der Anlage die Geschoßhöhen in wahrscheinlich wenigen Jahrzehnten verändert haben, zeigen neben den bereits erwähnten in der Luft schwebenden Halbsäulen im Innern der Küche insbesondere verschiedene zugemauerte Fensterrahmungen aus Sandstein an einer Außenseite zum Innenhof. Gerade diese Wand stellt den optischen und künstlerischen Höhepunkt des Hauses Herbede dar. Wie in der Renaissance üblich, ist sie als besondere Schauwand gestaltet worden. Zwischen zwei imposanten kannelierten Halbsäulen auf hohen Sockeln, die linke noch mit einem korinthischen Kapitell gekrönt, wurde ein großzügiges fünfbahniges Renaissancefenster eingesetzt. Bildwand im InnenhofDarüber befindet sich ein aufwendig gearbeitetes fünfteiliges Relief, das jedoch ursprünglich um zumindest zwei oder vier Teile größer war und nachträglich an der heutigen Stelle angebracht worden ist. Das mittlere der fünf Felder, datiert 1576, beinhaltet eine lateinische Inschrift, die besagt, dass dieses Relief von Konrad (Cort) von Elverfeldt (*um 1530, † 1594) und seiner Frau Berta von Vittinghoff gen. Schell zum Schellenberg in Auftrag gegeben worden ist. Links neben der Inschrift ist das Wappen der Familie von Elverfeldt, rechts neben der Inschrift das Wappen der Familie von Vittinghoff zu sehen. Dem Elverfeldt-Wappen ist auf dem sich anschließenden Teil die Justitia als Versinnbildlichung des Gerichtsherrenamtes zugeordnet; dem Vittinghoff-Wappen ist die Lukretia als Versinnbildlichung der Schützerin des Hauses und der ehelichen Tugenden zugeordnet. Die so geschmückte Wand, später ergänzt um ein darüber liegendes Fachwerkhalbgeschoss, ist in der weiteren Umgebung kein zweites Mal zu finden.

Aus konservatorischen Gründen befindet sich das 1985-88 sanierte Original-Relief im Märkischen Museum zu Witten. Vor Ort ist eine Replik zu bewundern.

Fachwerk-Verbindungsgang im InnenhofÜber die im 16. Jahrhundert gegebene Eingangssituation der seinerzeit dreiflügeligen Hauptburg lässt sich nichts sagen. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden der bereits erwähnte Treppenturm bis auf das Erdgeschoss abgetragen und der nördliche und der südliche Flügel mit einem Verbindungsgang versehen.

Die Innenhofseite des Ganges ist in Fachwerk ausgeführt. Der Schwellenbalken, der ehemals auf dem Erdgeschoss des Treppenturmes auflag, heute auf dem neuen Treppenhaus, zeigt an seiner Unterkante ein Kerb-Ornament. Der über dem Gang liegende Dachstuhl datiert aus dem Zeitraum um 1630.

Im Ergebnis entstand eine vierflügelige Anlage mit einem 6 x 8 m großen Innenhof.

Anstelle der Mitte des 16. Jahrhunderts weitestgehend überbauten alten Vorburg ist ebenfalls um 1540, auch diese Jahreszahl wird durch eine Holzuntersuchung bestätigt, eine größere Vorburg westlich der erweiterten Hauptburg angelegt worden, die von einem Graben umgeben war. Durch eine große Toranlage gelangt man von Süden auf die Vorburg. Hier standen bis in das 19. Jahrhundert hinein Nebengebäude wie zum Beispiel Scheune, Ställe, Schuppen, Speicher und Vorratsräume. Ein heute noch existierender Brunnen auf der Vorburg führt in gut 6 m tiefe Wasser. Wie eine westliche Baunaht und Abdeckplatten der Außenmauer zeigen, ist die Vorburg bereits im 16. Jahrhundert erweitert worden. Zwischen der neuen Vorburg und der Hauptburg ist zu gleicher Zeit eine erst während der Sanierungs- und Umbauarbeiten von 1985-88 wiederentdeckte Brücke errichtet worden mit einem steinernen Bogen zur Vorburg hin und einer hölzernen Zugbrücke zur Hauptburg hin, die 1798 durch einen steinernen Bogen ersetzt worden ist.

Im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts wurden alle Gebäudeteile der vierflügeligen Hauptburg auf eine einheitliche Höhe abgetragen und dem Gesamtkomplex ein einheitliches Walmdach aufgesetzt. Die hier-durch entstandene Ansicht der Hauptburg des Hauses Herbede prägt bis heute das äußere Bild. Im Osten wurde an die äußere Küchenwand gelehnt ein Anbau errichtet, von dem lediglich der Sockel erhalten geblieben war und der heute eine sanitäre Anlage aufgenommen hat. Im Inneren der Hauptburg sind zahlreiche Zwischenwände eingezogen und in der Küche ebenfalls zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein Treppenaufgang mit barockem Geländer eingebaut worden. Diesem Umbau sind auch die noch vorhandenen Türen mit ihren flach aufgesetzten, geschwungenen Ornamentfüllungen zuzuordnen.

Entwicklung der Bauphasen des Hauses Herbede

Nachdem seit der Mitte des 18. Jahrhunderts Haus Herbede der Familie von Elverfeldt nicht mehr als Hauptwohnsitz diente, muss sich die Anlage in einem instandsetzungsbedürftigen Zustand befunden haben. Um 1778 sind u. a. am Dach Reparaturen vorgenommen worden. Im 19. und 20. Jahrhundert sind im Inneren weitere Zwischenwände eingezogen worden und einige neue Fensterdurchbrüche entstanden.

Einschneidende Veränderungen erfuhr jedoch in dieser Zeit der unmittelbare Außenbereich des Hauses Herbede. Infolge der Industrialisierung des Ruhrtales und Herbedes entstanden folgende Ansiedlungen:

1859 südöstlich die Firma Friedrich Lohmann, 1874 südlich die Ruhrtalbahn, 1888 westlich die Firma Dittmann & Neuhaus und 1934 östlich die bis auf wenige Meter an das Haus heranreichende neue Ruhrbrücke.

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